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Wenn der erste Eindruck täuscht

Katzenpocken sind selten, gehen aber immer mit einem Ansteckungsrisiko für die Besitzer und Tierärzte einher. Eine Fallserie aus Hannover zeigt, dass auch hinter völlig untypischen Läsionen Orthopox-Viren stecken können.

Wählerisch sind Orthopox-Viren nicht, das Wirtsspektrum ist sehr breit. Natürliche Infektionen wurden bei Menschen, Rindern, Katzen, Hunden, Nagern, Neuweltkameliden und verschiedenen Zootieren beschrieben. Das natürliche Reservoir sind Nagetiere, vor allem Rötel- und Waldmäuse. Weil deren Population im Spätsommer und Herbst am größten ist, treten zu dieser Jahreszeit die meisten Infektionen auf.

Orthopox bei Mensch und Katze
Obwohl häufig noch als Kuhpocken bezeichnet, wird das Orthopox-Virus heutzutage vor allem von Katzen übertragen, die auf Nagerjagd gehen und anschließend zum Kuscheln kommen. Die Hälfte der humanen Patienten hat sich bei einer Katze angesteckt. Während Orthopox-Infektionen beim Tier in der Regel meldepflichtig sind, gibt es beim Menschen keine Meldepflicht und damit keine genauen Daten zur Häufigkeit. Weil seit den frühen 1980er-Jahren nicht mehr gegen Pocken geimpft wird, gehen viele Autoren von einer erhöhten Empfänglichkeit der Bevölkerung für Orthopox-Infektionen aus. Andreas Nitsche, der am Robert Koch-Institut das Deutsche Konsiliarlabor für Pockenviren leitet, kann eine Zunahme humaner Katzenpocken-Infektionen für sein Labor allerdings nicht bestätigen: „Die Anzahl der zu untersuchenden Proben steigt, was auf eine erhöhte Aufmerksamkeit der behandelnden Ärzte hinweist, die Anzahl der positiven Proben hat sich in den letzten Jahren aber nicht wesentlich verändert.“

Auch bei Katzen ist die Infektion ziemlich selten: Eine retrospektive Studie berichtet von nur 46 Katzen, die zwischen 2004 und 2010 in Deutschland als infiziert gemeldet wurden. An Katzenpocken wird in der Tierarztpraxis daher meist nur gedacht, wenn die Tiere mit typischen Läsionen vorgestellt werden. Das sind ulzerierende oder verschorfte kleine Pusteln an Kopf, Nacken oder Vorderbeinen, eventuell begleitet von Fieber und leichten Störungen des Allgemeinbefindens. Sekundäre Hautveränderungen können wenige Wochen später auftreten: kleine epidermale Knoten und Ulzera, die mit Juckreiz einhergehen können. Bei immunsupprimierten Katzen kann die Infektion letal sein. Das histologische Bild einer Hautbiopsie ist typisch für Pockeninfektionen. Die Diagnose kann über Immunhistochemie oder einen direkten Virusnachweis bestätigt werden.

Fünf Fälle in vier Wochen
An der TiHo Hannover hatten die behandelnden Tierärzte zunächst keinen Verdacht auf Katzenpocken, als innerhalb von vier Wochen fünf verschiedene Katzen in der Klinik an Lahmheit und Hautveränderungen an den Hintergliedmaßen litten. Ihre Haut war an den betroffenen Stellen hochgradig ödematös und hyperämisch geschwollen, häufig mit plaqueartigen Läsionen und Erosionen. Die Symptome waren völlig untypisch für eine Orthopox-Infektion, nur zwei der fünf Katzen hatten wenige Knötchen an Kopf und Vorderbeinen. Auch die Anamnese gab keinen Hinweis: Die Vorstellungsgründe waren Lahmheit, die Folgen eines Autounfalls oder eine chronische Nierenerkrankung. Doch in der Pathologie wurde bei der Untersuchung von Hautbiopsien bzw. nach dem Tod dreier Tiere Orthopox-Virus isoliert.

Histopathologisch zeigten sich in allen fünf Fällen typische Pocken-Läsionen. Eine Gen-Sequenzierung ergab, dass eine der Katzen mit einem bisher unbekannten Orthopox-Virus infiziert war, während bei den vier übrigen Tieren ein anderes Virus vorlag. Dieses war auch schon in früheren Fällen in der Region Hannover sowie in Großbritannien diagnostiziert worden – vermutlich ein Hinweis darauf, dass es permanent in den Reservoir-Populationen zirkuliert.
Wie sich die Katzen infiziert hatten, blieb unbekannt, sie waren aber alle fünf Freigänger und Mäusejäger. Die identische virale Gensequenz in vier Fällen lässt eine gemeinsame Infektionsquelle vermuten. Weil bei drei Katzen die Hautprobleme erst während des Klinikaufenthalts begannen, wäre es möglich, dass das Virus dort übertragen wurde.
Die Autoren des Fallberichts raten aus dieser Erfahrung heraus dazu, auch bei ungewöhnlichen Symptomen die Katzenpocken als Differenzialdiagnose zu berücksichtigen.



Originalpublikation:
Jungwirth N, Puff C, Köster K, Mischke R, Meyer H et al. (2018): Atypical Cowpox Virus Infection in a Series of Cats. J Comp Pathol 158: 71–76.
DOI 10.1016/j.jcpa.2017.12.003.

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