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Für Igel sind Mähroboter eine wachsende Gefahr.
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Für Igel sind Mähroboter eine wachsende Gefahr.

Wildtier

Achtung Mähroboter: Erstversorgung von Igeln

Schnittverletzungen bei Igeln durch automatische Rasenmäher haben stark zugenommen. Auffangstationen sind überfordert.

Wenn der Igel in der Abendstunde auf Futtersuche durchs Gras läuft, trifft er immer häufiger auf eine neuartige Gefahr: Mähroboter im Einsatz. Igeltypisch flüchten die Tiere nicht vor dem unbekannten Feind, sondern rollen sich im Gras zusammen. Entgegen der Angaben vieler Hersteller können die automatisierten Rasenmäher kleine Tiere wie Igel nicht erkennen. Die Folge sind nicht selten gravierende Schnittverletzungen.

Mähroboter – ein wachsendes Risiko für Igel

Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) sammelt und dokumentiert über eine geschlossene Facebook-Seite seit September 2022 Funde von Igeln mit Schnittverletzungen, die eindeutig auf Mähroboter zurückzuführen sind. Seit Beginn der Datensammlung durch Freiwillige von Igelauffangstationen sind auf der Plattform mehrere Hundert dieser Fälle belegt. „Wir gehen zudem von einer sehr hohen Dunkelziffer aus, da viele Tiere erst gar nicht gefunden bzw. gemeldet werden“, sagt Dr. Anne Berger vom Leibniz-IZW, die die Sammlung der Fälle wissenschaftlich begleitet. „Zudem berichten die Igelstationen, dass seit diesem Frühjahr ein Anstieg der Fälle um 30 bis 50 Prozent zu verzeichnen ist. Dies steht mutmaßlich mit den jährlich um 12 Prozent steigenden Absatzzahlen von Mährobotern in Zusammenhang.“

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Igel mit Schnittverletzungen
Foto: Gudrun Wibbel/Leibniz IZW
Igel mit Schnittverletzungen

Schnittverletzungen und Myiasis

Dr. Maximilian Reuschel (Klinik für Heimtiere, TiHo Hannover) erklärte in einem Interview zum Patient Igel: „Gerade in den Sommermonaten erleiden Igel häufig Verletzungen im Straßenverkehr und durch Rasenmäher. Vor allem die Verbreitung von Rasenmährobotern scheint hier zu einer Erhöhung der Verletzungsgefahr zu führen. Die Igel werden häufig mit Schnittwunden im Nacken- und Rückenbereich vorgestellt. Aufgrund der warmen Jahreszeit liegt dann häufig auch bereits eine Myiasis vor. Derartige Wunden sollten zügig von Maden befreit und gesäubert werden. Dann heilen diese Verletzungen häufig sehr gut ab.“

Wundversorgung und Frakturversorgung beim Igel

Dr. Anette Kaiser (Tierklinik Haar) beschreibt für News4Vets ausführlich, wie die Erstversorgung von Igeln in der tierärztlichen Praxis aussehen sollte. Die Wundversorgung bei Igeln kann und sollte wie bei allen anderen Säugern erfolgen. Oft werden Tiere mit alten, infizierten Wunden vorgestellt, bei denen abgewogen werden muss, ob eine Behandlung noch sinnvoll möglich ist.

Frakturen der langen Röhrenknochen können ebenfalls analog zu anderen Kleinsäugern versorgt werden, idealerweise mittels Osteosynthese. Die notwendige Gefangenschaft bis zur Frakturheilung tolerieren die Tiere in der Regel gut. Konservative Frakturbehandlungen sind möglich, haben aber häufig eine Fehlstellung der Gliedmaßen zur Folge, da durch das Einrollverhalten des Tiers meist keine ausreichende Verbandsbehandlung oder externe Schienung erfolgen kann.

Bei komplizierten Frakturen oder massiven Weichteiltraumata ist manchmal nur eine Amputation sinnvoll. Dabei ist zu beachten, dass Tiere mit einer amputierten Hintergliedmaße wieder ausgewildert werden können, Tiere mit einer amputierten Vordergliedmaße jedoch zu eingeschränkt sind und lebenslang in Gefangenschaft bleiben müssten. Dies ist nach dem Tierschutzgesetz streng genommen nicht erlaubt und sollte auch im Sinne des Tiers, welches in Freiheit über ein mehrere Quadratkilometer großes Revier verfügt, kritisch abgewogen werden. Die Amputation einer Hinterglied­maße sollte auf jeden Fall im Hüftgelenk ohne verbleibenden Stumpf erfolgen.

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Igelstationen sind überfordert

Anne Berger vom Leibniz-IZW warnt vor einer Überlastung der  ehrenamtlich arbeitenden Igelstationen: „Die Verletzungen haben in den letzten Monaten ein Ausmaß angenommen, das viele Stationen physisch, psychisch und finanziell überfordert. Nicht wenige stehen kurz vor der Aufgabe, wenn nicht von politischer Seite Unterstützung kommt.“

Diese Unterstützung könne beispielsweise eine staatliche Übernahme der Tierarztkosten sein, oder ein Verbot des Betriebs von Mährobotern während der Nachtstunden in der Bundesartenschutzverordnung. Zudem müsse die Problematik nachhaltig in Politik und Gesellschaft kommuniziert und Aufklärungsarbeit geleistet werden. 

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